Wie nehmen wir als IT-Projektvermittler die Corona-Krise wahr?

Vor Beginn bis heute. Und wie sieht die Tendenz für die Zukunft aus? Ein Erfahrungsbericht.
Ausgangslage vor der Corona-Pandemie:
Wir als IT-Beratungsunternehmen und Expertenfinder im IT- und Engineering Umfeld schätzen den Austausch mit unseren Kunden und Beratern sehr sowie den technologischen Fortschritt. Sei es durch Digitalisierung, Automatisierung oder Arbeit 4.0.
Die digitale Transformation eröffnet uns und unseren Kunden dabei völlig neue Horizonte. Sie optimiert nicht nur einzelne Prozesse in den Unternehmen, sie verändert Strukturen, Organisationen, Denk- und Sichtweisen. Von der industriellen Produktion über die Energieversorgung und das Transportwesen bis hin zu Politik, Bildung und Gesundheit sind alle Lebensbereiche vom Wandel betroffen. Als Projektvermittler betrachten wir uns als ein Teil des Ganzen.
Bei unseren Stammkunden erleben wir unentwegt diese Transformation und wie sie neue und radikale Geschäftsmodelle hervorbringt, wie innovative digitale Produkte und Services entstehen. Neue Wettbewerber und Start-Ups drängen auf die globalen Märkte und machen den großen und alteingesessenen Playern ordentlich Konkurrenz.
Die Erkenntnis, dass hinter jedem Problem eine digitale Lösung stehen kann, beschleunigt die digitale Transformation. Zukunftstechnologien wie KI, Blockchain, IoT, Big Data und Cloud Computing (PaaS / IaaS / SaaS) unterstützen diesen Prozess. Die digitale Revolution ist also in vollem Gange und lässt den IT-Projektmarkt außerordentlich wachsen und mit ihr den Hunger nach exzellenten IT-Experten. In erster Linie handelt es sich beim IT-Projektmarkt um einen Vermittlermarkt, der seit gut zehn Jahren zu einem der wachstumsstärksten in der deutschen Wirtschaft zählt. Hier sind passende Fachkräfte heiß begehrt und die Stunden- und Tagessätze der IT-Freelancer dementsprechend hoch.
Sprich gute Zeiten für unsere freien Berater sowie für unsere langjährigen Kunden, die den existierenden Fachkräftemangel durch unsere Expertise abfedern konnten. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.
Der durchschnittliche Stundensatz unter IT-Freelancern stieg in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich an. Tendenz steigend. Studien über und Befragungen unter IT-Experten noch vor der Corona-Krise zeigten nur eine Tendenz: mehr Einnahmen für IT-Freelancer.

Der Fachkräftemangel war hingegen für unsere Kunden herausfordernd. Knapp zwei Drittel der Unternehmen konnten mindestens jedes fünfte bereits budgetierte IT-Projekt nicht umsetzen, da ihnen die Fachkräfte mit IT- und Technologie-Know-how fehlten. Mit unserer Unterstützung und der erfolgreichen Besetzung von IT- und Engineering-Projekten mit unseren Beratern konnten wir den Mangel abfedern. Alles in allem gute Zeiten für alle Parteien.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Branchen:
Und dann kam Corona mit erheblichen Auswirkungen auf die globale Wirtschaft und den IT-Projektmarkt. Die Folgen je nach Branche und IT-Segment fielen sehr unterschiedlich aus. Profiteure dieser Ausnahmesituation sind Kunden, die im Zusammenhang mit digitalen Arbeitsplätzen stehen, aufgrund der erhöhten Homeoffice-Nachfrage von Unternehmen, konnten sie mehr Software-Lizenzen vertreiben oder entsprechende IT-Infrastruktur einrichten inkl. VPN-Zugängen und Security-Lösungen.
Ebenso günstig ist die Krise für das IT-Outsourcing-Geschäft, z.B. profitieren schon jetzt die Cloud-Anbieter. Einige unserer Kunden wollen sich mehr auf das Kerngeschäft fokussieren und versprechen sich durch die Auslagerungen in die Cloud enorme Kosteneinsparungen. Dieser Effekt wurde durch die Krise enorm verstärkt.
In anderen Branchen wie z.B. der Industrie läuft es gegenteilig. Der Industriebereich wird kurzfristig und größtenteils die IT-Ausgaben massiv kürzen oder neu priorisieren. Automobilhersteller wie VW, Daimler oder BMW sowie deren Zulieferer mussten ihre Produktionswerke schließen. Hier wurden auf breiter Front IT-Projekte gestoppt oder zumindest pausiert, die nicht zwingend erforderlich sind mit der Folge, dass viele IT-Freiberufler gekündigt wurden. Auch viele standardmäßig anstehende Neubeschaffungen von IT-Ausrüstung werden vorerst wohl häufig zurückgestellt werden.
Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau: durch die Corona-Pandemie stark betroffenen Verkehrs- und Handelsnetzwerke kommt es zu Verzögerungen in den Lieferketten, d.h. Maschinen können nicht im gewohnten Maße ausliefern. Selbst dort, wo die Fertigung ohne große Einbußen weiterläuft, können Maschinen nicht ins Ausland geliefert werden, weil Einreisebeschränkungen in viele Länder bestehen und Servicetechniker und Anlageningenieure zur Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen vor Ort fehlen.
Die Corona Krise setzt der Bahnbranche schwer zu, da Fahrgäste ausbleiben und international sehr viel weniger Güter transportiert werden. Das Bundesverkehrsministerium sowie Vertreter der Bahnwirtschaft (u.a. Bündnis Allianz pro Schiene, Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), Deutsches Verkehrsforum (DVF), um nur einige zu nennen) haben am 30.06. im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) einen Schienenpakt zur Stärkung des Bahnsektors unterzeichnet und den „Masterplan Schienenverkehr“ vorgestellt. Mit dem Schienenpakt soll ein modernes Bahnsystem geschaffen werden, welches leistungsfähiger, pünktlicher, innovativer, leiser und klimafreundlicher ist. Vorgesehen sind bis 2030 fast 90 Milliarden Euro an Investitionen für das Schienennetz.
Mit dem Masterplan soll die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden, mehr innovative Fahrzeuge und Technologien zum Einsatz kommen und mehr Forschung betrieben werden. Gute Energie- und Mobilitätslösung sind weiterhin gefragt und halten das IT- und Engineering Projektgeschäft am Laufen.
Folgen der Corona-Pandemie auf unsere Kunden:
Wir stellen fest, die Unsicherheit in den Unternehmen wie sich die wirtschaftliche Situation weiterentwickelt, führt bei einigen Kunden zu Einstellungsstopps. Für das IT-Projektgeschäft sieht es unterschiedlich aus. Viele der laufenden IT-Projekte werden gestoppt, pausiert und auf unbekannte Zeit verschoben, weil Unternehmen ihre Mitarbeiter und Externe ins Home-Office schicken mussten oder durch die Krise Aufträge weggefallen sind.
Projekte, die vor der Pandemie begonnen wurden, laufen noch ungehindert weiter. Noch nicht angelaufene, aber geplante Projekte werden nochmal auf ihre Dringlichkeit und Notwendigkeit überprüft. Insgesamt hat sich das Projektaufkommen reduziert, aber es stagniert nicht überall und gewisse IT-Experten werden nach wie vor gesucht. Die Gründe für die Zurückhaltung auf Kundenseite sind nachvollziehbar.

CIOs bzw. IT-Leiter konzentrieren sich jetzt darauf, möglichst schnell Kosten zu optimieren. Das bedeutet, Investitionen werden auf ein Minimum reduziert und lediglich für Aktivitäten eingesetzt, die das Geschäft am Laufen halten. Das wird für die meisten Unternehmen und Organisationen im ersten Corona Jahr oberste Priorität haben. Zudem agieren IT-Projektleiter in Unternehmen derzeit zurückhaltend, da der Einkauf die Beschränkungen der Konzernleitung umsetzen muss. Und doch gibt es vermehrt Anfragen im Entwicklungsbereich. Softwareentwickler werden kontinuierlich gesucht.
Neben der Budgetplanung und der Projektsicherheit beim Kunden, zählt zu den aktuellen Herausforderungen der Onboarding-Prozess von externen Mitarbeitern. Bedingt durch den Lockdown können IT- und Engineering Fachkräfte nicht problemlos eingearbeitet werden. Weitere Hürden in der Einarbeitungszeit: das zur Verfügung stellen von Technik, Stichwort Remote Work, die dringend notwendige Wissensvermittlung sowie sicherheitsrelevante Aspekte wie Zutritts- und Zugangskontrolle. Glücklicherweise ist das nicht bei allen Unternehmen gegeben und variiert stark.
Zudem stellen wir fest, dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Parteien (Kunde, Berater, Dienstleister) teilweise erschwert ist. Entscheidungswege gerade in Großkonzernen, ausgehend von der Konzernleitung bzw. Geschäftsführung über den Einkauf bis hin zum IT-Leiter, haben sich durch das Home-Office und die telefonische Erreichbarkeit weiter verlangsamt.
Aktuelle Auswirkungen auf unsere Berater:
Fakt ist, aktuell werden weniger IT-Freelancer gesucht und eingestellt. Für den IT-Projektmarkt bedeutet das im Umkehrschluss, mehr Freiberufler drängeln sich um die vorhandenen Projekte. Nach Jahren der positiven Einkommensentwicklung unter IT- und Engineering Fachkräften, fallen nun die Stundensätze für freie Mitarbeiter. Je länger die Krise anhält und die Projektverknappung existent ist, um so flexibler sind die Berater beim Stundensatz. Wir gehen aber davon aus, dass sich das in 1-2 Jahren wieder normalisieren wird.

Was hat sich bei den Beratern verändert? Die Nachfrage nach Remote Work ist gestiegen, genau wie die Reisebereitschaft. Eigentlich Paradox, aber erklärbar durch die begrenzten Projektangebote. Speziell Risikogebiete wie anfänglich in NRW wurden als vor Ort Einsätze von unseren Beratern gemieden, da das Infektionsgeschehen nicht richtig einschätzbar war. Hier beruhigt sich die Lage wieder.
Der hohe Bewerbungseingang auf einzelne Projekte lässt darauf schließen, dass sich das Angebot an Projekten auf dem gesamten Projektmarkt weiterhin auf einem niedrigen Niveau befindet. Vermehrt erhalten wir Initiativbewerbungen von IT-Experten, die jahrelang in der Automobilbranche tätig waren. Nun auf Projektsuche sind sie bedeutend flexibler, was Standort und Stundensatz angeht. Ungewöhnlich für uns ist der Trend, dass einige Bewerber die Möglichkeit über AÜG/ANÜ zu arbeiten in Betracht ziehen oder sich gar eine Festanstellung vorstellen können.
Prognose zum IT-Projektmarkt:
Die Corona Krise wird noch eine sehr lange Zeit nachwirken. Abhängig von der Branche und der wirtschaftlich-globalen Aufstellung des Unternehmens fallen die Auswirkungen sehr unterschiedlich aus. Es gibt Gewinner und Verlierer. Gleichwohl bleibt die Unsicherheit über die weitere Wirtschaftsentwicklung hoch.

Die Krise zeigt die Schwäche einiger Branchen und Unternehmen bezüglich veralteter Strukturen und Geschäftsprozesse auf. Zugleich zeigte sich deutlich, dass manuelle Prozesse im Lockdown langsamer oder gar nicht abgewickelt werden konnten. Dagegen aber digitale und automatisierte Prozesse ungestört weiterlaufen konnten. Diese Erkenntnisse sollten den Trend zur Digitalisierung weiter beschleunigen.
Remote Work wird üblicher sein. Dies wird u.a. dem Trend in Richtung Prozessautomatisierung weiteren Auftrieb geben und entsprechende IT-Investitionen begünstigen. Wenn sich die Lage wieder normalisiert, erwarten wir eine Repriorisierung der IT-Projekte, z.B. auch im Maschinen- und Anlagenbau: Der ohnehin erkennbare Trend in Richtung Automatisierung wird sich ebenso verstärken wie die Nachfrage nach Lösungen zur Fernüberwachung von Maschinen und Anlagen sowie Remote Services.
Waren Maschinenbetreiber bislang zurückhaltend, den OEMs ihrer Anlagen Fernzugriffsrechte zu gewähren, werden sie künftig wohl offener für diese Lösungen sein. Dort wo Fertigungsunternehmen Schwierigkeiten hatten mit Unterbrechungen in der Supply Chain werden wohl verstärkt IT-Projekte priorisiert werden, die darauf abzielen, die Supply Chain transparenter zu machen und Risiken früher zu erkennen, um darauf schneller reagieren zu können, z.B. durch den Einsatz von KI-Lösungen.
Bestenfalls verhilft die Corona Krise dem Durchbruch der Elektromobilität in Deutschland und damit der Automobilbranche. Durch digitale Angebote, die den Customer-Lifetime-Value steigern, haben OEM bessere Chancen, sich schnell von der Krise zu erholen, künftiges Wachstum voranzutreiben und ihr Geschäft widerstandsfähiger zu machen. Hersteller sollten daher nicht warten, bis die Krise vorbei ist, sondern jetzt die Motoren starten und ihre digitale Business-Transformation beschleunigen.
Abschließend möchten wir festhalten: Gerade in Krisenzeiten wollen wir für unsere Kunden und Berater da sein, den persönlichen Kontakt halten und das gemeinsame Fundament stärken. Im Zentrum unseres Wirkens steht eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Dies gilt ebenfalls für Lieferantenbeziehungen und für unsere eigenen Mitarbeiter.
